Ich bin stinksauer.

Stinksauer, sag ich euch. Gut, das ist nichts Neues, das kommt schon mal vor. Aber gerade bin ich so sauer, dass ich kotzen könnte.

Ich hatte heute einen Termin bei der Arbeitsagentur. Um 7:30 Uhr. Kein Problem für eine alte Frühaufsteherin wie mich, und wenigstens hat man es früh hinter sich und der Tag kann ununterbrochen weitergehen. Manchmal hat man ja was vor als Arbeitsloser. In Talkshows auftreten oder so.

In der Einladung stand: „Bringen Sie bitte noch zusätzlich folgende Unterlagen zu diesem Termin mit: Bewerbungsschreiben.“

Gut, denke ich mir, bring ich halt noch eins mit, ist ja kein Thema, aber mich wundert diese Fixiertheit auf Bewerbungsschreiben schon ein bisschen, ich habe denen ja schon zwei gemailt.

Ich komme also um 7:17 Uhr dort an. Stehe vor verschlossenen Türen. An denen immerhin ein Zettel hängt, der mich darauf hinweist, dass Kunden (ha) mit Termin doch bitte klingeln möchten. Ich folge dem aufgedruckten Pfeil nach rechts und identifiziere triumphierend die Klingel. Zwei Klingeln übereinander, ich weiß nicht, welche davon die richtige ist. Egal, ich entscheide mich für die obere.

Keine Reaktion. Innen laufen Menschen an der Glastür vorbei.

Untere Klingel.

Keine Reaktion. Innen laufen Menschen an der Glastür vorbei.

Hm.

Beide Klingeln gleichzeitig.

Keine Reaktion. Innen laufen Menschen an der Glastür vorbei.

Inzwischen bin ich nicht mehr alleine vor der Tür, es sind noch drei andere Kunden dazugekommen.

Ich starte einen letzten Versuch.

An einem Fenster neben dem Eingang bewegen sich die Vorhänge, eine körperlose Hand ist zu sehen. Tatsächlich kommt nun ein Mitarbeiter, öffnet die Tür und sagt mir, dass die Arbeitsagentur erst um 7.30 öffnet, und auch da erst die Tür aufgemacht wird.

Ich sage, zu diesem Zeitpunkt immer noch höflich, dass ich ja einen Termin hätte und man solle ja klingeln …

„Wir öffnen erst um 7:30 Uhr.“

Sagt’s und schließt die Tür wieder.

Es ist 7:26 Uhr.

Pünktlich um 7:30 Uhr ist Einlass.

Ihr Termin findet auf Serviceplatz 1 (Eingangsbereich) statt.

Vielleicht hat man das heute so:  Zumindest hier in Lampertheim gibt es direkt im Eingangsbereich der Arbeitsagentur Serviceplätze. Die sind mit ein paar Stellwänden abgetrennt, man kann also wirklich mit ein bisschen Konzentration hören, was an den anderen Plätzen gerade als Service ausgegeben wird. Sehen kann man das auch, durch die Durchgänge zwischen den Stellwänden. Die Kunden kann man dabei vom Eingangsbereich etwas besser sehen als die Servicekräfte.

Es stellt sich aber heraus, dass Serviceplatz 1 die Rezeption ist, besetzt von einem etwa 12 Jahre alten Mädchen, im folgenden Bericht von mir wertfrei als Empfangstrulla bezeichnet.

Ich gehe also hin, frage nach Serviceplatz 1 und erfahre: Ich bin schon richtig. Die Empfangstrulla fragt mich nach dem dem Bewerbungsanschreiben. Ich überreiche es und frage, ob ich zu jedem Termin eines mitbringen muss. „Nein, das war jetzt nur, weil wir von Ihnen noch keines haben.“

Auf meine Entgegnung, ich hätte aber doch bereits zwei per E-Mail geschickt, erfahre ich: Es ist angeblich nichts angekommen.

Die Empfangstrulla, in misstrauischem Ton: „Wo haben Sie das denn hingeschickt?“

Ich: „An die Adresse, die ich von Frau R. (meine zuständige Beraterin) bekommen habe, irgendwas mit Lampertheim123 …“

„Hier ist nichts angekommen. Haben Sie denn eine Bestätigung bekommen, dass das Schreiben bearbeitet wurde?“

„?“

„Daran merken Sie, dass es nicht angekommen ist.“

Aha. Hätte ich  mir gleich denken können, dass die E-Mail nicht angekommen ist, wenn ich diese Bearbeitungsbestätigung nicht bekomme! Ich Dummerle!

Leicht verwirrt frage ich, wem ich denn nun meinen Leistungsantrag geben dürfe.

Kurze Exkursion: Den Leistungsantrag habe ich schon seit Wochen und endlich war ist auch die Arbeitsbescheinigung vom Arbeitgeber dazugekommen . Ich rufe also bei der 01801-Nummer der Agentur für Arbeit an und frage, was ich jetzt damit machen solle. Erfahre, dass ich dafür von der für mich zuständigen Niederlassung einen Termin bekomme, an dem das direkt vorab bearbeitet wird, damit alle Informationen drin sind und ich auch gleich Auskunft bekomme. Gut.

Wenige Tage später bekomme ich auch meine Einladung, eben die für heute. Die ich, rückblickend durchaus dumm, dahingehend auslege, dass das der große Auftritt für meinen Leistungsantrag wird, und ich aus unerfindlichen Gründen halt auch noch ein Bewerbungsschreiben abgeben muss.

Zurück zu heute: Ich frage die Empfangstrulla also, was ich mit meinem Leistungsantrag anstellen solle. Sie gibt mir einen Termin für Montag. Ich bin nur mittelmäßig begeistert, und weil ich es einfach nicht glauben mag, frage ich noch ein letztes Mal nach:

„Das heute war also einfach nur, um das Anschreiben abzugeben?“

„Ja, weil Sie uns das noch nicht geschickt hatten.“

Als ich gehe, halte ich die Bezeichnung Serviceplatz für irreführender als je zuvor.

Ich muss zugeben: Wenn ich nicht von der frühen Uhrzeit und dem Serviceplatz 1 so abgelenkt gewesen wäre, hätte ich natürlich auch sehen können, dass auf der Einladung als Betreff tatsächlich Vorlage Bewerbungsanschreiben steht (genau genommen ist es die „1. Einladung“, was dem Ganzen einen unerwarteten und aufregend bedrohlichen Beigeschmack gibt).

Dumm gelaufen für mich.

Ich will ja nicht mal unterstellen, dass den Arbeitsagenturlern einer abgeht, wenn sie einen so vollkommen sinnlos rumscheuchen (doch, will ich eigentlich schon) .

Aber ich bin mir relativ sicher, dass ihnen nicht klar ist, wie unglaublich ineffizient sie sind. Ist es denn wirklich sinnvoller, mir eine Einladung zu schicken und mich wegen eines einzigen Blattes Papier antanzen lassen, als mich telefonisch, per E-Mail oder ja, meinetwegen auch per Post zu informieren, dass sie immer noch kein Anschreiben von mir haben, und ich solle ihnen das bitte zukommen lassen? Per Post, E-Mail, oder persönlich vorbeigebracht?

Abgesehen von meiner natürlich Faulheit und Abneigung gegen die Arbeitsagentur, die noch in kein Leben Freude, Stolz, oder Motivation gebracht hat (und bezahlte Arbeit wahrscheinlich auch nur durch Zufall vermittelt), ärgert mich aber auch:

Nicht alle von der Agentur Verwalteten wohnen in der Nähe der zuständigen Filiale. Ich habe heute nur eine Stunde meines Lebens und ein bisschen Hoffnung verloren.

Andere Menschen müssen eine mehr oder weniger lange Anfahrt in Kauf nehmen, müssen sich vielleicht einen Babysitter suchen, müssen sich damit abfinden, dass die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus einem 20-Minuten-Termin einen Vier-Stunden-Unternehmen macht, sie müssen sich eventuell ein Auto organisieren oder jemanden bitten, sie zu fahren. Und meine Fresse, Leute, ihr müsst mir das jetzt einfach unbesehen glauben: In dieser Lage auch noch ständig Familie oder Freunde um Hilfe bitten zu müssen … das macht keinen Spaß.

Gut, dass man willkürlich einen Termin aufgedrückt bekommt, den man wahrzunehmen hat, ok. Als Arbeitsloser wanzt man eh nur daheim auf dem Sofa rum und kratzt sich am Arsch, da ist es ja egal, oder?

Was aber auch bedacht werden sollte: Wer zu einem Termin der Arbeitsagentur geht, dem können die Fahrtkosten erstattet werden. Ob das wirklich gemacht wird, ist eine andere Sache, die finden ja gerne Möglichkeiten, einen auf den Kosten für ihren eigenen Scheiß sitzen zu lassen. Aber wenn die Kosten erstattet werden, ratet mal, woher das Geld kommt?

Genau.

Das sind eure Steuergelder.

Ihr zahlt also nicht nur die Angestellten der Agentur, die morgens an der Eingangstür vorbeigehen, Kaffeetasse in der Hand, Blick von der Tür abgewendet, um nur ja keinen Augenkontakt mit der dumpfen Masse der Arbeitslosen und Arbeitssuchenden zu machen. Ihr zahlt auch die Fahrtkosten für jemanden, der einfach nur ein einziges Blatt Papier abgeben muss. Ich wage zu behaupten, dass die Fahrtkosten nur selten niedrigen sind als die 55 Cent für das Briefporto.

Your tax money at work.

3 Gedanken zu „Ich bin stinksauer.

  1. “Wir öffnen erst um 7:30 Uhr.” – Sagt’s und schließt die Tür wieder. – Es ist 7:26 Uhr. – Pünktlich um 7:30 Uhr ist Einlass.

    Ich kann mich an zwei ähnliche Erlebnisse erinnern: Einmal in Karlsruhe und einmal in Schwetzingen. Ist das vielleicht ein landestypischer Brauch im Südwesten? Aus dem fernen Schleswig-Holstein beobachtet …

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