Das. Glaubt. Einem. Keiner. (Teil II)

Anschnallen, Leute, der Höllenritt geht weiter! Nur hier live und in Farbe und bunt! Und kostenlos! Falls ihr den ersten Teil dieser Geschichte noch nicht kennt, könnt ihr das hier nachholen.

Gestern war also mein erster regulärer Tag in meiner Maßnahme. Für alle, die nicht die ganze Saga lesen wollen (was ich euch nicht übelnehmen kann), hier die Zusammenfassung:
1. Ich habe tolle Arbeitszeugnisse (wusste ich bereits).
2. Mein Lebenslauf sieht gut aus (wusste ich bereits, schließlich habe ich den gemacht)
3. Beim „Bildungsträger“ kann man mir nicht wirklich helfen: „Bei der Stellensuche wissen Sie selbst besser, was Sie brauchen“. Eine Bewerbungsmappe erstellt man trotzdem, „damit die Arbeitsagentur sieht, dass wir hier was machen“.
4. Ich habe dort die Zeit von 8 bis 12 Uhr und von 12:45 bis 15:30 Uhr verbracht.

Um kurz vor 8 Uhr stand ich beim „Bildungsträger“ (kurz: BT) vor der Tür. Außer mir waren noch drei Teilnehmer und die Kindergartentante Aufseherin Mitarbeiterin des BT anwesend. Weil ich die Neue war, musste ich mich kurz vorstellen; leider greift das andersrum wohl nicht, deswegen habe ich theoretisch immer noch gar keine Ahnung, wer die anderen sind.

Praktisch habe ich im Gespräch natürlich ein bisschen was über die herausgefunden: Eine Mitstreiterin ist wohl irgendwie im Textilbereich ausgebildet. Folgerichtig empfiehlt ihr die Mitarbeiterin des BT ein einwöchiges Praktikum bei einem Pflegedienst, das sei bestimmt genau ihr Ding. Spätere Nachfrage beim Pflegedienst ergibt: Ein unbezahltes Praktikum kann sie da gerne machen, aber übernommen werden kann sie sowieso nicht, weil sie keine entsprechende Ausbildung hat. Also ein Supertipp, und ich bin froh, dass die Arbeitsagentur für sowas Geld ausgibt.

Ich erzähle meiner Mitstreiterin von manomama – was keiner im Raum kannte – und sie verfasst eine Bewerbung. Ich lese das Anschreiben Korrektur und kann einige Tippfehler verbessern. Das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben, jemandem vielleicht ein bisschen geholfen zu haben und der Gesellschaft wenigstens ETWAS bieten zu können wärmt mich bis in den Nachmittag hinein.

Das ist auch bitter nötig, weil die Tür des Seminarraums offen und die Temperatur niedrig ist. Es ist durchaus lauschig, den vorbeilaufenden Einkäufern, alten Leuten mit Gehhilfe, Radfahrern, Müttern mit Kinderwägen und fröhlich vorbeirennenden Kindern zuzusehen. Idyllisches Innenstadtleben. Meine Konzentration fördert es nicht, was nix ausmacht, weil sowieso mehrfach das Telefon klingelt, was naturgemäß auch Telefongespräche nach sich zieht.

Einer der anderen Mitleider – dem sieht man an, dass er vermutlich schon länger mitmacht, er wirkt zumindest zynisch und desillusioniert – ist Wirtschaftsfachwirt (WFW). Die Aufseherin bietet ihm unerschrocken Stellen als Bürokaufmann an, obwohl er sich wirklich bemüht, ihr zu erklären, dass das etwas anderes ist. Ich vermute, das ist so ein Profitrick, um uns zu ermutigen, „outside the box“ zu denken. Anders kann ich es nicht erklären, dass sie mich auf Stellenangebote aufmerksam macht, in denen nach Mediengestaltern gesucht wird.

Der WFW hat auch eine Bewerbung bei einem bekannten Internetbuchhändler offen, er findet aber, das sei eh nix. Grund: Beim Gehalt bleibt wegen der Fahrtkosten nix übrig, zudem macht er sich Sorgen, wie lange er da jeden Tag mit dem Zug unterwegs ist. Die Berichterstattung über die nicht ganz einwandfreien Praktiken des Unternehmens machen den Arbeitgeber nicht unbedingt attraktiver. Der WFW erwähnt, dass es ihn ärgert, wie mit den Bewerbern umgegangen wird. Wenig Information, lange Wartezeiten usw. Das zu beanstanden stehe ihm überhaupt nicht zu, findet unsere Bewerbungswärterin (gibt aber zu, dass die Sorge wegen des Geldes legitim ist).

Merke: Ich darf mich nicht darüber ärgern, bzw. keine Kritik äußern oder es überhaupt erzählen, wenn ich finde, dass ein Unternehmen mich als Bewerber zu lange warten lässt oder mich gar nicht informiert. Das hat mich geärgert, weil man ja wohl noch ein Recht auf eigene Empfindungen und Meinungen hat, auch wenn man gerade ALG bekommt. Zudem sagt es eine Menge über ein Unternehmen und seine Personalpolitik aus, wenn irgendwo im Prozess des Recruiting und des Stellenbesetzens geschludert wird.

Ich darf der Bildungsträgertante meine Bewerbungsunterlagen zeigen, und sie bemüht sich redlich, etwas an meinem Lebenslauf zu finden, was sie bemängeln und damit natürlich verbessern kann. Nachdem ich ihr klipp und klar sage, dass ich in meinem Lebenslauf NICHT vier verschiedene Schriftarten, mehrere Farben und Texteffekte verwenden werde (nein, kein Scherz, keine Übertreibung), finden wir etwas, was Sie verbessernswürdig findet. Die im Lebenslauf aufgeführten Aufgaben bei den jeweiligen Arbeitsstellen werden jetzt als Liste dargestellt.
Es folgt eine quälende Diskussion darüber, dass ich doch besser ein Anschreiben an meine Bewerbungsunterlagen anhängen sollte, und eine erneute Ermahnung, ein Bewerbungsbild zu verwenden.

Ich äußere meine Einwände gegen das Anschreiben (ich will mein pdf nicht noch mehr aufblähen, das ist nämlich eh schon an der am Größenlimit für viele Bewerbungsportale; ich habe ein Anschreiben in der E-Mail und hänge das nicht noch mal an) werden abgeschmettert: Ich könne E-Mail-Bewerbungen ja mehrere Dokumente anhängen (Zeugnisse; Lebenslauf; Deckblatt mit Bild drauf; Anschreiben); und damit ich nicht zweimal dasselbe schicke, kann ich im angehängten Anschreiben etwas anderes schreiben als im E-Mail-Anschreiben.

Äh ja. Sicher werde ich das so machen.

Den Lebenslauf kann ich nicht sofort bearbeiten, weil das Word 2003 nicht mit meinem neueren Worddokument zurechtkommt. Für so etwas kann man zwar ein Dingsbums runterladen, aber ich kann das nicht installieren, weil ich nur User bin am Laptop, und kein Admin. Dagegen ist nichts zu sagen! Wogegen ich allerdings etwas zu sagen habe, und sogar tatsächlich etwas gesagt habe: Kein Virenschutzprogramm auf dem Laptop. Im Nebenkämmerchen lagern die Laptops, jeder greift sich wahllos einen, schaltet ihn ein, und los geht’s.

Als erstes habe ich nachgesehen, ob der Laptop gegen Malware geschützt ist. Außer Microsoft Security Essentials ist da nichts drauf. Ich habe das durchlaufen lassen (veraltete Variante, Update … genau, den kann nur der Admin) und prompt einen Trojaner gefunden. Daraufhin stecke ich meinen USB-Stick natürlich voller Vertrauen an!

Ich habe gefragt, ob ich vielleicht zufällig den einen Laptop erwischt habe, der über keinen Virenschutz verfügt, oder ob das normal sei. Die Aufseherin meint etwas vage, dass alle paar Monate der Herr Soundso komme und sich das ansehe. Und außerdem stehe ja im Vertrag, dass man nichts runterladen dürfe. Klar. Dann ist das NATÜRLICH alles total geschützt. Der Wirtschaftsfachwirt sagt, seiner habe Avast, „so eine Freeware“. Überraschenderweise beruhigt mich das nicht besonders.

Wir haben also einen Schrank voller Laptops, vermutlich alle ohne anständige Virenschutzsoftware. Wir haben zahlreiche Teilnehmer, die sich einen Laptop nehmen, damit im Internet surfen und bearbeitete Dokumente auf ihren USB-Stick speichern. Ich gehe davon aus, dass das nicht nur hier so ist, sondern auch am anderen Standpunkt in Neuburg, genauso wie in Ingolstadt und Augsburg. Wisst ihr, was das ist? Das ist eine Masernparty für Computer.

Oh, was auch schön ist: Ohne Admin-Rechte kann ich beispielsweise nicht dafür sorgen, dass mit der Browser Seiten mit Flash anzeigt. Das betrifft auch die Audi-Karriereseite, und auch andere Firmenseiten, deren Stellenseiten Flash benötigen.

Inzwischen ist es etwa viertel vor zehn, und wir machen Pause (O-Ton: „Wenn Sie um neun schon 5 Bewerbungen geschrieben haben, dann können Sie natürlich schon Pause machen, wir sind ja Erwachsene!“).

Den Rest des Tages verbringe ich damit, nach Stellenangeboten zu suchen.

Kleine Highlights in der Mittagspause: Dank eines Rabattcoupons erstehe ich eine Flasche Waschmittel, eh schon im Sonderangebot für 3,95 € statt 4,95 €, noch zwei Euro billiger! 18 Waschladungen für jeweils nicht mal 11 Cent! Yeah Baby!

Danach saß ich auf einer Bank am Schrannenplatz und aß verträumt mein Brot. Ich starre also leer in die Gegend, die Hand mit dem Brot lag entspannt an meinem Knie. Plötzlich spüre ich ein sonderliches Gekruschel an der Hand, ich schau hin, und was ist? Ein Spatz fetzt Stücke von meinem Brot weg! Fand ich außergewöhnlich. Und goldig.

Danach ging es zurück zum BT. Dort mussten ich und die Praktikumsfrau bis kurz vor eins warten, weil die BT-Mitarbeiterin nicht da und die Tür deswegen zugesperrt war. Die verlorene Viertelstunde haben wir dann aber mühelos reingeholt, indem wir eine Viertelstunde früher aufgehört haben.