Das. Glaubt. Einem. Keiner. Die Anhörungs-Sonderedition

Ich bin stinksauer, vor lauter Wut rast mein Herz, meine Hände zittern.

Gerade war ich am Briefkasten. Ich habe Post von der Arbeitsagentur (die ja interessanterweise ihre Briefe nicht mit der Post verschickt, sondern mit einem halbseidenen anderen Dienstleister. Ich habe Schreiben von der AA auch schon mal lässig vor der Haustür liegend gefunden, zum Glück nix termingebundenes. Weiß Gott, wie lange das da schon rumlag.).

Ich habe den Text direkt mal eingescannt:

Anhörung

So.

Jetzt erzähle ich euch, was hier wirklich passiert ist:

Ich habe den Vermittlungsvorschlag tatsächlich am 18. Dezember 2012 bekommen. Beworben habe ich mich dann im Januar, weil mir noch Dokumente für meine Bewerbungsunterlagen fehlten (ein Zeugnis). Ich ging davon aus, dass so kurz vor Weihnachten sowieso nichts mehr bearbeitet wird. Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um eine Art Projektfirma bei einem durchaus bekannten Unternehmen in der Region Augsburg.

Am 29. April diesen Jahres erhielt ich dann einen Anruf von der ausgeschwärzten Firma; man wollte wissen, ob ich noch interessiert sei. War ich, und am 7. Mai habe ich mich dort vorgestellt.

Tätigkeit: Content-Managerin für einen Webshop. Super! Gehalt: Zahlen wurden noch keine genannt, meine Gehaltsvorstellung lag dem Unternehmen vor. ABER: Davon gibt es nur 80 % als Fixgehalt, den Rest sozusagen nach Erfolg. Arbeitszeit: Pünktlich ab 8 Uhr; im ersten Jahr solle ich mich aber darauf gefasst machen, dass das „kein 9-to-5-Job“ sei. Verständlich, so am Anfang.

Das Gespräch war wie eigentlich alle meine Vorstellungsgespräche durchaus angenehm und interessant. Mein Gesprächspartner machte mich darauf aufmerksam, dass ich erst nach Pfingsten mit einer Antwort rechnen könne, da sowohl er als auch seine Kollegin im Urlaub seien.

Die späte Einladung lag übrigens daran, dass die Firma schon jemanden eingestellt hatte, der schon wieder ausgeschieden war. Es wurde nicht ganz deutlich, wer hier unzufrieden war, Firma oder Mitarbeiter. Sowas kommt vor.

Soweit alles ok.

Wie es aber oft so ist, hatte ich im Nachhinein noch ein paar Fragen, die ich dann per E-Mail einschickte:

1. Wie funktioniert das mit dem Fixgehalt und dem flexiblen Bestandteil? Ich habe in meiner ganzen Berufslaufbahn noch nie davon gehört, dass so etwas im Bereich Redaktion/Text praktiziert wird, also würde ich gerne wissen, wie das berechnet wird. Nach Erfolg meiner Texte? Wortanzahl pro Monat? Ich halte das für eine legitime Frage.

2. Wäre es möglich, dass ich von zuhause aus arbeite? Dazu müsst ihr wissen, dass ich von mir aus eineinhalb Stunden mit dem Zug unterwegs bin, dazu kommen natürlich noch der Weg von meiner Wohnung zum Bahnhof hier in Neuburg, und der Weg vom Bahnhof zum Unternehmen in der anderen Stadt; zurück genauso. Ich kann also davon ausgehen, dass ich jeden Tag schon mal vier Stunden geschmeidig unterwegs bin. Dazu kommt noch die „nicht-9-to-5-Arbeitszeit“, ich schätze einfach mal grob zehn Stunden. Von dem Gehalt (ich kann ja nur mit den 80 % rechnen, die ich sicher habe), kann ich mir dort keine Wohnung leisten, einen Umzug sowieso nicht, und schon die Bahnkarten sind fast zu teuer. Am Ende des Monats würde im besten Fall nichts übrigbleiben, in manchen Monaten würde ich draufzahlen, das hatte ich letztes Jahr ja schon mit Augsburg. Ich halte also die Frage nach Home Office für eine legitime Frage.

3. Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, und falls ja, ist der auch für die Firma zuständig, die extra für das Projekt Webshop gegründet wurde? Ich habe schon in so manchem betriebsratfeindlichem Unternehmen gearbeitet, und die Arbeitnehmer sind dabei IMMER die Deppen. Dass für ein einzelnes Projekt extra eine Unterfirma gegründet wird, finde ich schlichtweg halbseiden, weil meistens eben wirklich das Ziel ist, den Betriebsrat auszuhebeln und die Mitabeiter einfach mal scheiße behandeln zu können. Ich halte die Frage nach einem Betriebsrat (bei einem Unternehmen dieser Größe!) immer eine legitime Frage.

So.

Und heute bekomme ich dieses Schreiben der Bundesagentur für Arbeit, mit dem schönen Satz:

Sie haben die Stelle abgelehnt, da Sie nur von zu Hause aus arbeiten wollen.

Stellt euch bitte vor, dass ich die nächsten so laut schreie, dass mir kleine Äderchen in den Augen platzen:

Ich habe diese Stelle nicht abgelehnt.

Ich habe von diesem Unternehmen bisher keine Zusage bekommen.

Ich habe von diesem Unternehmen bisher keine Absage bekommen.

Ich habe von diesem Unternehmen bisher überhaupt keine Nachricht bekommen.

UPDATE:

Ich habe am 3. Juni ein durchaus wütende Schreiben an die Arbeitsagentur geschickt. Am 4. Juni flatterte mir das hier ins Haus:

Absage 4Juni2013

Ja, das ist die Absage des Unternehmens. Ja, es geht um die Stelle, die ich nach Meinung der Arbeitsagentur abgesagt habe.

You can’t make this shit up.

6 Gedanken zu „Das. Glaubt. Einem. Keiner. Die Anhörungs-Sonderedition

  1. Ich meine, die BA mutet dem Arbeitssuchendem eine tägliche Pendelzeit von 2 1/2 Stunden zu.
    Die Frage bezüglich des Betriebsrates hätte ich persönlich nicht gestellt. Das macht einen denkbar schlechten Eindruck.

    1. Rouven, das Unternehmen ist seit langer Zeit genau wegen der Betriebsratthematik in den lokalen Schlagzeilen. Wenn die Frage einen schlechten Eindruck macht, dann sagt das zweifellos mehr über die aus als über mich.
      Zur Pendelzeit: Ich wäre jeden Tag insgesamt vier Stunden unterwegs, zusätzlich zu der bisher noch nicht genauer spezifizierten Arbeitszeit (von mehr als 8 Stunden pro Tag, wie ja angedeutet wurde). Auch falls das für die BA zumutbar sein sollte, was ich bezweifle, kann ich mir die Karte von den 80 % meines Gehaltes einfach nicht leisten. Arbeiten von zuhause aus klingt da für mich wie eine gute Alternative.

  2. Mir fehlen die Worte – habe ich gestern noch eine Dame kennengelernt die bei der Arbeitsagentur arbeitet. Zum Glück erst heute gelesen, sonst hätte sie vermutlich geplatzte Äderchen im Auge gehabt – aber nicht vom schreiben … naja, vielleicht hinterher …

Kommentare sind geschlossen.