Das. Glaubt. Einem. Keiner. – Rouvens Geschichte

Gastbeitrag von Rouven

Meine Odyssee mit meinem Ex-Arbeitgeber

Vorwort: Nachdem ich bei Alexandra schon sehr interessiert mitgelesen habe, welche Eskapaden sie durch- und mitmacht, schreibe ich nun auch meine Geschichte. Zwar mit völlig anderer Vorgeschichte, aber unterm Strich haben wir gemeinsam: „Warum einfach, wenn es kompliziert geht?“. Wir wollen beide wieder gebraucht werden und eine richtige Tagesaufgabe haben und sind auch bereit, unterschiedlich gelagerte Opfer zu bringen.

Vorgeschichte: Seit dem 02.01.2012 stand ich in einem Arbeitsverhältnis mit der Bundesagentur für Arbeit Dortmund. Der 30.06.2013 war mein letzter Arbeitstag und zugleich auch der Beginn einer Odyssee mit meinem ehemaligen Brötchengeber.
Bis dato war ich als IT-Fachassistent im „RITS“ – Regionalen IT-Service im Identity & Access Management tätig. Das hieß, ich habe mit meinen sehr kollegialen Arbeitskollegen täglich dafür gesorgt, dass die Agentur- und Jobcentermitarbeiter in NRW und Hessen mit den zahlreichen Softwareanwendungen und dergleichen stets zuverlässig arbeiten konnten. Dieses Arbeitsverhältnis war von vornerein als 6-Monats-Kontrakt ausgelegt und ich war bereit, auch im schlimmsten Fall nach 6 Monate wieder arbeitslos zu sein.

Gelockt haben mich keineswegs das gute Gehalt oder die umfangreichen Sozialleistungen. Nein, alleine die Tätigkeit hat mich gereizt, welche ich bis zum letzten Tag mit voller Leistungsbereitschaft sehr gerne ausgeübt habe.

Auch wenn mich behinderungsbedingt zwei längere Krankheitsphasen gehindert haben, in den 1 ½ Jahren jeden Tag zur Verfügung stehen zu können, so habe ich in der übrigen Zeit jede Woche Überstunden geleistet. Teilweise kam abends der Chef zu mir und bat mich endlich Feierabend zu machen, da ich aufgrund von Brandschutzvorschriften nicht alleine als Rollstuhlfahrer in der Agentur sein durfte. Oder ich habe nur Feierabend gemacht, damit ich mit meinem Auto in der Tiefgarage nicht eingeschlossen werde. Wohlgemerkt habe ich morgens dann bereits um 8 Uhr auf der Arbeit, obwohl es Gleitzeit galt und ich hätte theoretisch sehr viel später kommen können.

Nein, ich wollte nicht. Es war stets viel zu tun und wollte auch insgeheim dem Klischee in der Gesellschaft entgegentreten, dass ein behinderter Arbeitnehmer nicht so viel leistet wie ein Gesunder. Aber mir selbst auf die Schulter klopfen ist sowieso nicht meine Art, so habe ich das geleistet, was gefordert wurde und immer einiges mehr, weil die Tätigkeit einfach Spaß gemacht hat.

Akt 1:
Wenn dann wieder 6 Monate rum waren, gab es zuvor die üblichen Mitarbeitergespräche. Meine Leistung stimmte, mein Verhältnis zu den Arbeitskollegen, unterm Strich waren alle Seiten zufrieden mit mir.

Eine Besonderheit gab es dann eben doch. Die örtliche Agentur kann zwar dem IT-Mitarbeiter gegenüber zum Ausdruck bringen, weiterhin an einer Beschäftigung interessiert zu sein (also grünes Licht seitens des Personalrates), aber die endgültige Entscheidung trifft das IT-Systemhaus in Nürnberg. Und da intern eine Reform die andere jagt, es teils mächtig rumort, so blieben auch die regionalen IT-Service von der Verschlackung nicht verschont, und so wurde mein Arbeitsvertrag stets sehr kurzfristig verlängert.

Es war immer eine Hängepartie. Geht es weiter oder kannst du quasi wieder die Umzugskartons packen. Eine Umzugsbereitschaft meinerseits war immer vorhanden, weil es sonst gar nicht möglich wäre, eine gute Beschäftigung als Rollstuhlfahrer vor der Tür zu finden.

Nun gab es diesmal kein Happy End für die nächsten 6 Monate, der Chef sagte mir, leider keine weitere Verlängerung in Aussicht stellen zu können.

Also rief ich die Arbeitslosen/Arbeitnehmer-Hotline an, weil ich derzeit noch krankgeschrieben bin und dachte mir, früher konnte man sich auch telefonisch vormelden und dann im Nachhinein persönlich erscheinen, um sich arbeitslos zu melden und seine Ansprüche geltend zu machen.

Pustekuchen. Ich muss persönlich erscheinen. Das würde sich ja auch nicht als Problem darstellen, da ich ab dem 01.07. wieder fit bin und somit zur Arbeitsagentur fahren könnte. Theoretisch.

Praktisch habe ich am selben Tag ein Vorstellungsgespräch in Bonn. Von Dortmund nach Bonn fahre ich mit dem Zug mehr als 1 ½ Stunden, pro Fahrt. Zuvor wäre zwar noch etwas Zeit und der Hauptbahnhof liegt auch gegenüber, jedoch auf der gegenüberliegenden Seite ist der Eingang, aber ich kann die Strecke mit dem Rollstuhl nicht alleine bewältigen. Zumal ich den Hauptbahnhof einmal untertunneln müsste, um zum Haupteingang zu kommen.

Also muss ich nun mit dem Taxi von zuhause zur Agentur, mich dort abhetzen, wieder ins Taxi um es dann pünktlich zum Zug zu schaffen.

Ganz ehrlich, ich erwarte garantiert keinen ehemaligen Mitarbeiterbonus und sowieso keinen „Behindertenrabatt“, aber einfach nur Verständnis für meine Situation.

Dass ich definitiv eine schlechtere Ausgangslage habe um die gleiche Aufgabe zu bewältigen, steht außer Frage. Ich habe diese Herausforderung immer sportlich genommen und geschaut, wie es eben doch irgendwie geht. Über das Wie und Ob hat sich oftmals keiner Gedanken gemacht.

Nun ja, ich werde weiter berichten, welche Überraschungen meine ehemaligen Kollegen noch für mich parat haben.