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Anders lesen

Von Dierk Haasis

Ich lese seit einigen Wochen anders als früher. Schuld daran ist Amazons Kindle. OK, das ist nicht ganz korrekt, angefangen hatte es schon, bevor ich endlich das Geld aufbrachte, mir den eReader zuzulegen. Das liegt auch daran, dass ich viel lese, dabei aber seit Jahren immer weniger Romane, die ja meist darauf angelegt sind, in einem Rutsch durchgearbeitet zu werden.
Amazons Kindle im Vergleich zu einem herkömmlichen Buch

Damit sind wir beim Punkt: Ich lese in kleineren Abschnitten, wie es gerade passt und worauf ich gerade Lust habe. Durcheinander. Das geht besonders gut bei Lehrbüchern, Essaysammlungen, Kurzgeschichten, breit angelegten Sach- und Fachbüchern, Gedichten, Aphorismen. Halt bei allem, was nicht plot-driven ist. Ich kann natürlich auch anders, wie bei J.K. Rowlings Harry-Potter-Büchern. Solche Sachen sind halt nicht mehr meine regelmäßige Lektüre.

Als ich den Kindle kaufte, ging es mir zuallererst um all die Klassiker, die man entweder verpasst hatte zu lesen oder die man gerne wieder lesen möchte, nur dass einem die Druckwerke über die Jahre abhanden gekommen waren. Ein gewisser Vollständigkeitsmasochismus schwang auch mit. Shakespeare, Homer, Mark Twain, Karl Kraus und viele mehr sammelten sich in den letzten Wochen im Speicher des elektronischen Lesegeräts.

Mein gebundener Komplett-Shakespeare stand meist zu Hause im Regal, war nie zur Hand, wenn ich mal Lust drauf hatte, war unhandlich, recht klein gedruckt. Nicht weniger schlimm war es um einen dicken Sammelband mit Charles-Dickens-Romanen bestellt. Und der war nicht einmal vollständig. Heute trage ich ich die Werke dieser beiden Autoren vollständig mit mir rum und lese hin und wieder ein Stückchen im Bus, in der Bahn, im Park – wo ich halt zum lesen komme.

Ich war erstaunt, dass die meisten Texte, die ich im ersten Anfall von neu erwachtem Lesewahn suchte, in durchaus ordentlichen Editionen für kleines bis gar kein Geld zu bekommen waren. Amazon selbst bietet da schon sehr viel, meist von Project Gutenberg übernommene, neu formatierte Ausgaben, für lau an. Manchmal kosten Komplettausgaben, von denen es oft mehrere gibt, weniger als € 5. Project Gutenberg selbst bietet Kindle-kompatible Bücher an, deren [Design-]Qualität von gerade noch erträglich bis hervorragend reicht. Aesops Fabeln in englischer Übersetzung sieht beispielsweise sehr gut aus und kommt samt klassischen Illustrationen.

Doch Vorsicht, man sollte als Leser Probekapitel, wie sie Amazon bietet, auch nutzen, um zu sehen, wo die Stärken und schwächen unterschiedlicher Varianten liegen. Oft sind es Kleinigkeiten, die einen langfristig stören würden; so gibt es Shakespearesammlungen bei denen die Namen handelnder Figuren fett gesetzt sind, andere nutzen Kursivschrift oder gar keine besondere Auszeichnung. Leider gibt es nicht immer eine optimale Lösung, so wäre Fettschrift für die Namen sehr gut, aber die Position der Namen [vor oder über dem Text] passt nicht.

Zum Glück habe ich sehr schnell einen eBook-Verlag gefunden, der aus meiner Sicht superbe Ausgaben von Klassikern vorwiegend aus dem Anglo-Amerikanischen Raum auf Englisch herausbringt: www.DelphiClassics.com.

Die Köpfe dahinter wissen, was der gebildete Leser gemeinfreier Werke sucht. Soweit möglich bieten sie Gesamtausgaben an, die durch viel – gemeinfreie – Sekundärliteratur sinnvoll angereichert sind. Natürlich handelt es sich dabei um alles andere als den letzten Stand der Forschung, der aber auch nicht immer nötig ist. Dem Laien geben Biografien und Ähnliches gute Anhaltspunkte zum besseren Verständnis. Bei den antiken Griechen gibt es neben dem Originaltext auch noch verschiedene englische Übersetzungen hoher bis höchster Güte!

Früher lag ein Buch auf meinem Nachttisch, das weitgehend meine einzige Lektüre für einige Tage war. Selbst umfangreiche Werke, auch wenn sie nur Sammlungen kürzerer Texte waren oder historische Abrisse wie A World History of Architecture wurden in einem Rutsch gelesen, d.h. ohne zwischendurch andere Bücher zu lesen. Irgendwann ging das nicht mehr. Das Gehirn braucht Abwechslung, es muss Dinge sacken lassen, um sie zu verstehen.

Neben dem ganz praktischen Problem, für den Job zu lesen, dem nicht minder kleinen Problem, Zeitschriften zu lesen, gibt es noch einen sehr guten Grund, verschiedene Sachen parallel zu lesen: Kreativität. Wir müssen Gelesenes, Gesehenes, Erlebtes miteinander verknüpfen, je mehr wir dem Hirn zum Verknüpfen geben, desto mehr erinnern wir, desto mehr Neues denken und schaffen wir.

Der Kindle ermöglicht es mir nun, eine umfangreiche Bibliothek immer am Mann zu haben. Er ermöglicht es mir, jederzeit von Montaigne zu Shakespeare zu Aesop zu Anthony Trollope zu Jane Austen zu Karl Kraus zu L. Frank Baum zu Arthur Conan Doyle, Rudyard Kipling, Jerome K. Jerome, James Joyce, Adam Smith, Oscar Wilde und wieder zurück zu springen. Wenn ich will schiebe ich auch einen aktuellen Roman dazwischen, z.B. den neuesten Jasper Fforde oder Terry Pratchett oder David Peace. Mit gebundenen Baumresten ginge das nicht.

Der Verbrauchertipp: Sicher nur im Real Life

Weil ich mein Blog so schändlich verwaisen lasse, hat sich Dierk Haasis von es bleibt schwierig erbarmt und mir einen Gastbeitrag geschrieben. Stammleser werden sich erinnern, dass mir „aus Gründen“, wie man heute so schön sagt, Sicherheit im Netz am Herzen liegt und Anti-Phishen-Lassen-Geschichten ein seelisches Fußbad sind.

Der Verbrauchertipp: Sicher nur im Real Life

Verstehe ich den Innenminister richtig, so ‘ist das Böse nicht immer und überall’, wie die Erste Allgemeine Verunsicherung vor vielen Äonen einmal karikierte. Das Böse ist im Internet, dort wo sich die Pädophilen zum Bier mit den Terroristen treffen, um darüber zu fachsimpeln, wie sie Passwörter, PINs und Kreditkartendaten abphishen.

Das echte Leben, da draußen, wo die Wahrheit ist, bleibt sicher. Dafür sorgen Videokameras auf dem Kiez, Alkoholverbote in der U-Bahn, Abmahnungen und Klagen der Musikindustrie, Hausdurchsuchungen aus seltsamen Anlass. Natürlich auch das Sonntagsöffnungsverbot von Automatenvideotheken. Nur an die Killerspiele kommen die Innenminister noch immer nicht ran. Und Morde gibt’s nur sonntags nach der Tagesschau beim Tatort.

Vor einigen Tagen spielten mir uninteressierte Kreise, die zum Glück anonym bleiben müssen, das folgende Schriftstück zu:

Ein "Angebot", das wie eine Rechnung aussieht

Bekommen hat mein Kontakt dies mit der Post. Er legte ihn erst einmal beiseite, da er erst am nächsten Tag Buchhaltung machen wollte. Zwischenzeitlich zeige er die Rechnung einer engen Mitarbeiterin – auch GF –, die nach durchlesen meinte, er solle das halt bezahlen. Er zahlte selbstverständlich nicht, und wird das auch nicht tun.