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Der Badeanzug

Ihr wisst ja, dass ich klein und dick bin. Das ist meistens kein Problem, außer wenn ich was von oben im Regal brauch (da stört das „klein“) oder wenn ich halt was zum Anziehen kaufe (da stört das „dick“, manchmal auch das „klein“, oft die Kombination).

Natürlich bin ich wegen meines Körpers so unsicher, dass ich mir meistens am liebsten so einen Ganzkörperkaftan überwerfen würde, wenn das nicht noch auffälliger wäre als westlich gekleidet fett zu sein. Ich vermute aber, das ginge mir auch im Schlankheitsfall so. Jedenfalls, dick, unsicher. In a nutshell.

Heute morgen hatte ich aber beschlossen, mir mal wieder einen Badeanzug zu kaufen, damit ich schwimmen gehen kann, was ich sehr sehr gerne mache, aber schon seit Jahren nicht mehr getan habe.

Als erstes war ich im Online-Shop von H&M, weil ich da neulich im Newsletter so einen netten Badeanzug gesehen hatte.

Plus-Size-Model Tara Lynn im H&M-Leo-Badeanzug

Das Bild habe ich übrigens aus dem britischen Online-Shop, und warum zum Henker ist der so viel übersichtlicher als der deutsche?!

Ich weiß, viele von euch sind strikt gegen das Leopardenmuster, ich find’s aber lustig. Egal, den Anzug scheint es nicht mehr zu geben, was nicht so schlimm ist, ohne drei Kilo Goldschmuck und Sonnenbrille ist der ja eh nix.

Ich will seit Jahren sowieso einen Badeanzug mit Schwimmerrücken, der auch beim Schwimmen da bleibt, wo er hingehört. Ich finde es nämlich recht lästig, alle vier Schwimmzüge in den Ausschnitt greifen zu müssen und meine Brüste händisch wieder zurechtzurücken. Es ist lästig, es ist undamenhaft, und es nimmt einem ein bisschen den Spaß am Schwimmen.

Und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Es gibt in meiner Größe Badeanzüge mit neckischen angesetzen Röckchen, die dicke Hintern und dicke Schenkel verdecken sollen. Es gibt Badeanzüge mit Bügel, die den mächtigen Donnerbusen im Zaum halten, schlankmachenende Panels am Bauch, figurschmeichelnde Raffungen in der Taille.  Das ganze ist gerne kaschiert mit matronenhaften Blumenmustern, oder halt fröhlich-sommerlich schwarz.

Was es nicht gibt: Badeanzüge in meiner Größe mit Schwimmerrücken. Genauer gesagt: Badeanzüge mit Schwimmerrücken in meiner Größe und meiner Preisklasse. Ich habe keine 90 Euro (im günstigsten Fall) übrig für sowas. Leider.

Wie ich eben so bin, hab ich das meiner Timeline direkt mitgeteilt:

Wir Dicken hören ständig, wir müssten unseren faulen Arsch endlich mal hochkriegen. Die passende Kleidung für Sport? Fehlanzeige.

Und NATÜRLICH war die erste Reaktion darauf:

ist die fehlende Kleidung nicht Motivation genug?

Der gewiefte Leser entdeckt natürlich, dass das als Antwort/Reaktion auf meinen Tweet keinerlei Sinn ergibt, aber das ist ja nichts Neues.

Neulich habe ich beispielsweise getweetet (ich zitiere aus dem Gedächtnis) : „Ich brauche für die Konfirmation meines Patenkindes eine Frisur, ein Kleid und Schuhe. Was tun?“

Die erste Antwort darauf (ebenfalls aus dem Gedächtnis): „Inneren Scheinehund besiegen, runter vom Sofa und aktiv werden!“ Auch hier: Keinerlei offensichtlicher Bezug auf meine Aussage, dafür ein extra-surreales Element bei der Kombination „Innerer Schweinehund – Frisur“.

Ich war damals nah dran, den Twitterer zu entfolgen, habe es dann aber nicht getan, weil ich ihn normalerweise recht gut leiden kann, und weil ich mich mit eisernem Willen daran festhalten will, dass er statt „Frisur“ vielleicht „Figur“ gelesen hat. Das kann ja mal passieren.

Anyhoo. Ich habe nicht immer Lust, solche Bemerkungen einfach so hinzunehmen, und ich habe auch verdammt noch mal keine Lust, mich für mein Gewicht zu entschuldigen. Ich habe also gefragt, wörtlich, was das denn für eine schwachsinige Bemerkung sei.

Wer von euch mir auf Twitter folgt, hat das vielleicht mitverfolgt, vor den anderen will ich den Kerl nicht bloßstellen (also wollen schon, aber ich bin mir zu gut dazu). Ich fasse deswegen die komplette Konversation kurz zusammen: Ich bin so dick, weil ich eine faule Sau bin, findet er (habe ich erwähnt, dass der mir erst seit einem Tag folgt und mich im echten Leben gar nicht kennt?).

Ich habe ihn dann entfolgt und geblockt, weil ich in meiner Timeline so einen verletzenden Scheiß nicht lesen will. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich die moralische Verliererin bei der Sache bin.

Passenderweise kam kurze Zeit später ein Tweet rein, in dem sich jemand über die Unattraktivität der Nachbarin in einem Leo-Bikini geäußert hat. Das hat natürlich genau in meine noch offene Wunde getroffen, und ich habe generell alle angemotzt.

Weil ich glaube, dass viele den ganzen Vorgang nicht verstehen, will ich hier mal aufklären:

1. Ja, ich lache viel und bin ein fröhlicher Mensch. Das heißt aber nicht, dass es mich nicht verletzt, wenn ihr mein Gewicht kommentiert, oder besser gesagt, wenn ihr meint mir erzählen zu müssen, was ich tun muss um abzunehmen. Ihr habt (in den allermeisten Fällen) keine Ahnung von meinem Leben, deshalb einfach mal das Maul halten.

2. Bemerkungen wie „Ich muss dich und deinen Lebensstil nicht kennen, ich weiß auch so, dass du selber an deinem Gewicht schuld bist“ sind ebenso unhilfreich wie blöd.

2. Egal wie ihr zu Leo-Muster steht: Es ist nicht die Aufgabe anderer Leute, eure „ästhetischen“ Ansprüche und Wünsche zu erfüllen. Wenn die Nachbarin eben den Leo-Bikini mag, soll sie den anziehen. Fertig. Das gilt auch für Quergestreiftes, Jeansleggings und Socken in Sandalen. Mode ist (zugegebenermaßen nur für einige wenige Privilegierte) ein Weg sich selbst auszudrücken, und kein Instrument der Unterdrückung und Diskriminierung.

4. Ja, es ist tatsächlich so, dass ich vor lauter Angst vor eventuellen gemeinen Bemerkungen über mein Aussehen schon seit mindestens zehn Jahren nicht mehr im Schwimmbad war. Manchmal war ich wenigstens noch an irgendwelchen Badeseen, aber es gibt ja heutzutage kaum mehr welche mit abgeschiedenen Ecken, die fallen also auch flach.

5. Ja, es ist armselig.

 

Gerade entdeckt und ungeheuer passend: Too fat for summer?

 

Scheißegal!

Manchmal reicht ein Tweet nicht, deswegen mache ich einen Blogeintrag daraus: aus all den Dingen, die mir diese Woche vollkommen egal sind.

  • Eisbär Knut
  • Die Frage, ob Zoos wichtig sind oder nicht
  • Atomkraftwerke
  • Lindsay Lohan
  • Wer Baden-Württemberg regiert
  • Foodwatch
  • Was aus den etwa 100 Linsen wird, die in einem meiner Balkonkästen aufgegangen sind
  • Sommerzeit
  • Spiegel Online und Welt Online
  • Dass XING immer noch nicht in der Lage ist, den verfickten Mitgliedsbeitrag selber einzuziehen
  • Wer in Zukunft „Wetten dass …?“ moderiert
  • Ob ein eingesetztes Paukenröhrchen Kinder dick macht
  • Welche Geheimnisse Elizabeth Taylor mit ins Grab genommen hat

Und was ist euch diese Woche scheißegal?

 

And another thing .. (KTzG, Teil 2)

Ja, ja, Guttenberg, bla, ich kann’s selber auch schon nicht mehr hören. Aber etwas dazu sagen, das kann ich immer. Wär ja noch schöner.

Kurz und schmerzlos 1: Ja, es gibt Wichtigeres. Das bedeutet aber nicht, dass es egal ist, wenn der Bundesminister für Verteidigung geistiges Eigentum stiehlt.

Kurz und schmerzlos 2: Ja, kann sein dass jeder von uns in der Schule mal abgeschrieben hat. Das ist aber nicht das Gleiche wie beim Verfassen der Doktorarbeit zu lügen und zu betrügen.

Wer so etwas behauptet, der glaubt bestimmt auch, dass Schwarzfahren das Gleiche ist wie ohne gültigen Fahrausweis in den Bus zu steigen, dem Busfahrer eine Flasche über den Kopf zu ziehen, ihn aus dem fahrenden Bus zu werfen und dann mit dem Bus durch die Fußgängerzone zu brettern. Am Adventssamstag.

Mehr dazu, besser formuliert und mit mehr wissenschaftlichem Fundament, findet ihr beim Bloggewitter „Ehrlichkeit in der Wissenschaft“ bei den scilogs (die sowieso in euren Feedreader und/oder die Lesezeichen gehören).

Der Guttenberg

Ich bin ein phlegmatischer Mensch. Ich rege mich vergleichsweise selten auf, und sogar dann nur sehr ineffektiv. Vieles geht an mir einfach vorbei und ist mir egal. Ich glaube, ich habe einfach nicht die mentale Ausrüstung für Leidenschaft.

Wenn mich doch einmal etwas aufregt, dann lest ihr das in der Regel hier in meinem Blog. Und was mich gerade aufregt: Die Sache mit dem Guttenberg.

Screenshot der Facebookseite "Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg", 19. Februar 2011

Dazu müsst ihr von Anfang an wissen, dass ich das ganze Konstrukt „Adel“ dermaßen abstoßend finde, dass ihr keinerlei objektive Behandlung der Sache und der Person erwarten dürft. Schon allein die Vorstellung, jemand wird als „etwas Besseres“ geboren, ist mir in Mark und Knochen zuwider.

Genauso wenig mag ich Politiker. Es ist unanständig, wie viele Politiker ihre Posten ausnützen und sich eine goldene Nase damit verdienen, mit ihren öffentlichen Auftritten, ihren Vorstandsposten, ihren lukrativen Verträgen mit Unternehmen, die sie auch nach ihrer aktiven Zeit noch beschäftigen.

Die Kombination Adel & Politik ist also von Haus aus sehr dazu geeignet, meinen Unmut zu erregen. Die Plagiatsvorwürfe haben mich dementsprechend nicht wirklich überrascht. Ich gehe nämlich davon aus, dass Politiker von Haus aus glauben, dass sie mit allem Möglichen durchkommen. Das ist keine Folge des Politikerdaseins, sondern die Vorbedingung.

Ich bin seit langer Zeit der Meinung, dass es um dieses unsere Land so schlimm bestellt ist, weil die Politiker keine Ahnung vom „wirklichen Leben“ haben. Wie sollen sie auch? Ihre Eltern sind Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte, Richter, Industrielle, sie selbst studieren natürlich auch Jura oder Wirtschaft, und vor allem wachsen sie in dem Bewusstsein auf, dass sie etwas zu sagen haben und das gemeine Volk nur atemlos darauf wartet, ihre wertvolle Meinung zu hören. Für Adlige ist es noch schlimmer, denn sie ächzen ja praktisch unter der Last ihres hochwertigen Erbguts und der Befähigung zum Führen der Menschen, die ihnen anstelle von Blut in den Adern fließt.

Wann hatten wir denn das letzte Mal eine Metzgerstochter, einen gelernten Elektriker oder einen Lastwagenfahrer als Politiker/-in auf Bundesebene? Oder gar als Minister/-in? Oder Kanzler/-in? Egal, darüber kann ich mich ein anderes Mal aufregen.

Zurück zur Affäre Guttenberg. Was haben wir also hier? Einen privilegierten Mann, der sein Studium vermutlich unbelastet von materiellen Sorgen absolvieren durfte. Kein Kellnern am Abend und am Wochenende, keine Schichten in der Fabrik in den Semesterferien, keine Nachhilfestunden für Gymnasiasten, kein Babysitten, gar nichts.

Laut der Berichterstattung ist es ihm trotzdem schwergefallen, die Doktorarbeit zu vollenden, weil er eine junge Familie und eine junge Karriere als Politiker an der Backe hatte. Das kann man durchaus nachvollziehen. Was aber weder nachzuvollziehen noch entschuldigbar ist: Wenn er die Arbeit anderer Menschen stiehlt und als seine eigene ausgibt. Aktuell scheint genau das kaum mehr zu bestreiten sein, nicht nur die Süddeutsche berichtet darüber, dass in der Doktorarbeit ganze Seiten ohne Quellenangabe von anderen Autoren übernommen wurden.

Wenn die Dreifach-Belastung durch Familie, Job und Doktorarbeit (mit der auch viele andere fertig werden müssen, die noch dazu in vielen Fällen finanziell weniger gut dastehen) so schwer war, warum dann nicht einfach auf die Doktorarbeit verzichten?

Falls die Doktorarbeit doch so karriereentscheidend war, dass er nicht auf sie verzichten konnte: War es dann schlau, die Karriere auf Lügen und Diebstahl aufzubauen? Ist es schlau, sein Leben als Person des öffentlichen Interesses auf einem Plagiat aufzubauen?

Was ich jetzt sage, ist für Nichtstudierende vielleicht neu: Um zu studieren und eine Doktorarbeit, oder auch schon vorher eine Magisterarbeit, eine Diplomarbeit, eine Bachelor- oder Masterarbeit zu verfassen muss man nicht übermäßig intelligent sein, ich hab’s schließlich auch geschafft. Man muss willens sein, sich ein bisschen anzustrengen, und man muss sich an die Regeln für die Arbeit halten.

Natürlich verlangen die Professoren ein bestimmtes Niveau, auf dem die Arbeit sich zu bewegen hat, wenn man sich aber vorher durch das Studium geackert hat, ist das kein Teufelswerk. Die Abschlussarbeit auf jeder Ebene muss vor allem selbst verfasst sein, denn sie soll ja schließlich bestätigen, dass man im Stande ist, selbständig wissenschaftlich zu arbeiten, eigenen Schlüssse zu ziehen, Quellen und Information zu sichten und einzuordnen.

Was aber ist, wenn jemand plagiiert? „Ist das wirklich so schlimm?“ werden manche fragen. Ja. Ist es. Weil ihr dann nicht nur gestohlen habt – nämlich das geistige Eigentum und die Arbeitsleistung eines anderen Menschen. Ihr zeigt damit auch, dass ihr findet, die Regeln gelten nicht für euch.

„Es war vielleicht nur ein Versehen, das ist doch nicht so schlimm!“ sagen jetzt manche vielleicht. Nein. Das ist schlimm. Denn das beweist, dass ihr einfach nicht gut genug seid, ihr beweist praktisch selbst, dass ihr kein Recht habt, diesen akademischen Titel oder Grad zu tragen.

Absicht oder Versagen, so oder so habt ihr das mit dem Titel verkackt. Zu Recht.

Würdet ihr das denn in anderen Fällen hinnehmen? Würdet ihr sagen, ach, mein Arzt hat zwar bei der Abschlussprüfung beschissen, aber egal, der ist immer so großzügig mit Krankschreibungen? Der Busfahrer meiner Kinder hat gar keinen Führerschein, aber macht ja nix, der hat so volles Haar? Der Metzger hält sich nicht an die Hygienevorschriften, aber seine Frau ist so kinderlieb? Der Briefträger bringt nur ab und zu mal die Post, und manche Briefe macht er auf, aber macht ja nix?

Wäre es eine eine Hetzkampagne, wenn man sich über einen anderen Berufstätigen beschwert, „nur“ weil er betrogen hat? Zumal wenn dieser Berufstätige den „Anstand“ und die „Ehrlichkeit“, die ihm ja  zudem kraft seiner edlen Abstammung im Blut liegen soll, wie eine Flagge vor sich herträgt?

Warum sollte es also bei Karl-Theodor zu Guttenberg eine Schmutzkampagne sein, wenn jetzt Aufklärung dieser Vorwürfe verlangt wird? Wir, seine Arbeitgeber, verlangen zu wissen, ob er ein Betrüger und Lügner ist, der sich zu Unrecht „Verantwortung verpflichtet“ in den Seitentitel seiner Homepage geschrieben hat. Das scheint mir nicht vermessen zu sein.

Und trotzdem gibt es aufgeregte Fans, die nicht glauben wollen, dass jemand mit einer so ordentlichen Frisur ein Plagiarist sein soll. Deswegen haben sie eine Facebook-Seite angelegt: „Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“. Zum Glück entlarven sie sich selbst mit lachhaften Argumenten wie „Der hat ja nie mit dem Titel rumgeprotzt, der hat das gar nicht nötig zu betrügen!“ (siehe Screenshot oben). Klar. Ich würd auch nicht mit einem Doktortitel angeben, wenn ich bei der Doktorarbeit plagiiert hätte.

Ich frage mich, wer diese Leute überhaupt sind. Ich vermute, es sind die gleichen, die Fußballer der Gegenmannschaft nach einem Regelverstoß am liebsten direkt an den nächsten Baum tackern möchten; und es sind vermutlich die gleichen Leute, die Ulla Schmidt am liebsten gelyncht hätten, als sie sich dumm, aber meiner Erinnerung nach vollkommen legal mit ihrem Dienstwagen in den Urlaub hat chauffieren lassen.

Wer Spaß an Ironie hat, findet ein bisschen Trost darin, dass die Fans dieser Seite so messerscharf geschliffen argumentieren wie „Der ist ein smarter Typ, deswegen kann das nicht gewesen sein“ oder „Außerdem sind die anderen Politiker nur neidisch, dass Herr Gutenberg der beliebteste Politker ist.“

Für seine Eignung als Verteidigungsminister macht es absolut keinen Unterschied, ob er einen Doktortitel hat oder nicht, summa cum laude oder sonstwie. Schließlich war das nicht die Prüfung für den Verteidigungsministerschein.

Aber eine Aufklärung der Plagiatvorwürfe zu fordern, das hat nichts mit einer Hetzkampagne gegen zu Guttenberg zu tun. Es geht um akademische Ehrlichkeit, und, wenn euch das schon nichts bedeutet, es geht auch darum, ob wir es hinnehmen müssen oder wollen, dass unser Verteidigungsminister unfähig oder unwillens ist, sich an die Spielregeln zu halten.

Diese Spielregeln sind nicht einfach willkürlich aufgestellt worden, sie sorgen dafür, dass jeder prinzipiell die gleiche Chance hat. Sie gelten für alle Studierenden, sie gelten für die Töchter von Postbeamten, für Töchter, deren Eltern ihnen ihr Studium nicht finanzieren, weil sie dagegen sind, für die Söhne von Theologen und Metzgern und Maurern, für die Kindern von Professoren und Hartz-IV-Beziehern. Die Ausgangssituation im Spiel sind unterschiedlich, die Regeln sind aber für alle gleich und in diesem Sinne also demokratisch.

Wenn ihr jemandem die Gewalt über die Bundeswehr geben wollt, der sich nicht an die banalsten Spielregeln halten kann oder will und nichts von Demokratie und Ehrlichkeit hält, nur zu.

Ich halte es für unerträglich.

Neues vom Amt.

Mir ist eingefallen, dass ich euch ja noch die Fortsetzung  von neulich schuldig bin, zur Leistungsantragsabgabe.

Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich bei meinem Termin neulich dachte, ich könne meinen Leistungsantrag abgeben; stattdessen ging es nur um ein Bewerbungsschreiben.

Am folgenden Montag hatte ich also einen Termin bei der Leistungsabteilung. Ich tappe also brav zum Amt und will meine Unterlagen abgeben, bei einer durchaus netten Frau, die nach bester Arbeitsagenturtradition namenlos bleibt.

Die Tür des Büros bleibt während des Termin natürlich offen. Wo kommen wir denn dahin, wenn jeder dahergelaufene Arbeitslose eine Privatsphäre will!

Es stellt sich heraus: Antrag kann nicht bearbeitet werden, weil:

  • auf der vom Arbeitgeber ausgefüllten Arbeitsbescheinigung kein Firmenstempel ist
  • die Kündigung nicht vorliegt
  • ich die Lohnsteuerkarte nicht dabei hatte (ja, blöd von mir)
  • meine Kundendaten aus Koblenz nicht vorliegen.

Richtig lustig ist das allerdings erst durch die Details: Firmenstempel ist kein Problem, weil Büro ja direkt ums Eck ist. Ich frage auch, ob ich dann noch mal einen Termin brauche, um die gestempelte Bescheinigung vorzulegen. Antwort: Nein, nicht nötig, einfach abgeben oder in den Briefkasten werfen.

Aha. Ich habe nicht gefragt, warum ich dass dann nicht alles am Freitag abgeben konnte, sondern mir extra einen Termin für Montag geben lassen musste. Gewundert habe ich mich aber schon.

„Ich brauch also nur den Stempel und dann gebe ich das wieder ab, ja?“

Naja, so einfach ist das nicht! Es fehlt nämlich außerdem meine Lohnsteuerkarte (gut, daran hätte ich denken können) und die Kündigung („Aber die habe ich doch beim ersten Termin vorgelegt!“ – „Hmm … wir haben da aber keine Kopie in den Unterlagen. Die brauchen wir!“

Ok, das alles beschaffen und vorbeibringen, und dann kann ich erfahren, was ich bekomme, ja?

Nein. Meine Kundendaten aus Koblenz liegen nicht vor, ohne die geht sowieso gar nichts. Die kann man zwar anfordern, aber dann dauert es ein paar Tage, bis die auch in  Lampertheim ankommen.

Ich bin dann also zu meiner Ex-Arbeitsstelle gegangen, habe die Arbeitsbescheinigung stempeln lassen, mit einem Stempel, auf dem noch die alte Adresse steht, es wurden seit dem Umzug im August 2010 keine neuen Stempel gemacht.

Zuhause habe ich dann die Kündigung und die Lohnsteuerkarte kopiert. Vorher habe ich aber noch bei der Arbeitsagentur angerufen (6 Minuten, drei Gesprächspartner, Servicenummer) und nachgefragt, ob eine Kopie der Lohnsteuerkarte reicht und die nicht vielleicht eher den Ausdruck zur elektronischen Lohnsteuerdaten brauchen. Nein, Lohnsteuerkarte – „es geht nur um die Daten vorne drauf, vor allem die Steuerklasse“.

Ich hab denen den ganzen Mist dann per Post geschickt. Zum Briefkasten laufe ich nämlich nur 10 Minuten, keine 25 wie zum Amt selbst.

Ja, ich bin faul.

Und jetzt fragen wir uns bestimmt alle dasselbe, oder?

Stempel – Was ist, wenn eine Firma keinen Stempel hat? Schließt das alle Entlassenen automatisch vom ALG aus?

Kündigung – Wie viele Leute kommen zu denen und behaupten fälschlicherweise, ihnen wäre gekündigt worden? Außerdem finde ich, es ist nicht meine Schuld, wenn sie das nicht gleich am Anfang kopieren – es war ja abzusehen, dass die Kündigung später nochmal gebraucht wird.

Lohnsteuerkarte – Die Daten der Lohnsteuerkarten werden im von mir auszufüllenden Formular ebenso abgefragt wie in der Arbeitsbescheinigung, die vom Arbeitgeber auszufüllen ist (und zu stempeln, ganz wichtig). Aber klar, ich könnte auch unberechtigterweise vorgeben, die begehrenswerte Steuerklasse I zu haben. Kommt bestimmt auch oft vor.

Kundendaten – Schon beim ersten Termin stand fest, dass ich vorher in Koblenz war. War also keine Überraschung, und man hätte die Daten vielleicht auch vorher anfordern können.

Seufz.

Übrigens hat mich Dierk nach meinem letzten Schwank vom Amt darauf hingewiesen, dass das natürlich nicht eure Steuergelder sind, die da durch Desinteresse und, ich sag mal, Inkompetenz verplempert werden.

Das sind die Beiträge zur Sozialversicherung, die da so hingebungsvoll und doch sinnlos verbrannt werden.